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Samstag, 2. Juli 2011

Seiner Zeit voraus

Eine Aus­stel­lung zu Konrad Witz

In einer fulmin­an­ten Aus­stel­lung rückt das Basler Kunst­mu­seum den um 1400 in Rott­weil ge­bo­re­nen Kon­rad Witz neu ins Blick­feld. Wer sie se­hen will, muss sich al­lerdings spu­ten: Sie en­det die­sen Sonn­tag. Eine Al­ter­native bie­tet der präch­tige, groß­forma­tige Kata­log.

Von Andreas Lin­sen­mann

Er do­ku­men­tiert die rund 100 Ex­po­nate um­fas­sende Schau und fasst prä­zise und kri­tisch den ak­tuel­len For­schungs­stand zu Kon­rad Witz zu­sam­men. Den Aus­gangs­punkt bil­den die 14 Bild­ta­feln des 1447 in Ba­sel ver­stor­be­nen Mei­sters, die das Kunst­mu­seum wie auch eine Reihe von Werk­statt-Ar­bei­ten be­sitzt. Aus­ge­hend von dieser weltweit größ­ten Samm­lung zu Kon­rad Witz ha­ben die Bas­ler Aus­stel­lungs­ma­cher je­doch ein gan­zes Pan­orama von Ta­felbil­dern, Gra­fiken und Glas­ge­mäl­den an­de­rer Künstler zu­sam­men­getra­gen. Ein­drucks­voll wird dabei er­kenn­bar, wel­che Ein­flüsse und Stil­ver­wandt­schaften fest­zu­ma­chen sind und auf wel­cher Höhe Kon­rad Witz ge­arbei­tet hat.

Aus­stel­lung und Ka­talog un­ter­strei­chen ein­mal mehr, dass Witz zu den be­deu­tend­sten deut­schen Künst­ler des 15. Jahr­hun­derts ge­zählt werden kann. Er ver­stand es, Tex­ti­lien so pla­stisch zu ma­len, das man förm­lich meint, zu spüren, wie sie sich an­füh­len. Die ge­sto­chene Präzi­sion der Land­schaf­ten erin­nert an van Eyck. Und Licht und Schat­ten mo­duliert er bei­nahe so, als hätte Grüne­wald den Pin­sel ge­führt. Nicht zu­letzt frap­piert seine vir­tuo­se Farb­re­gie. Hier ver­bin­den sich über­kom­mene Sym­bo­lik und eine pac­ken­de, fast gra­fisch mo­dern und an­mu­ten­de kühne Flä­chig­keit.

Abisai vor König David Zum Auf­re­gendsten, das Schau und Ka­ta­log zeigen, gehö­ren die elf ver­blie­benen von ur­sprüng­lich 16 Ta­feln des Bas­ler Heilsspiege­lal­tars, für die man an­son­sten nicht nur nach Ba­sel son­dern auch nach Ber­lin und Di­jon rei­sen muss. Re­spekt­voll aber ohne Un­ter­wür­figkeit kniet da etwa Feld­herr Aisai vor König Da­vid, ihm ge­gen­über der Herr­scher in flam­mend üppi­gem Or­nat. Mit ei­ner Fin­ger­ge­ste scheint er zu regie­ren – würde nicht sein Blick selt­sam ver­son­nen ab­schwei­fen. Hin­ter­fan­gen wird Da­vid von einer grün be­deck­ten Sitz­bank. Das Uten­sil ist eher ne­ben­säch­lich. Aber es schafft Raum­tiefe, hebt den König zu­sätz­lich her­vor – und illu­striert mit ei­nem raf­fi­nier­ten Spiel von Fal­ten­wür­fen, Schat­ten und Spitz­lich­tern ex­em­pla­risch das tech­ni­sche Ver­mö­gen die­ses Mei­sters.

Dass Kon­rad Witz sich durch ei­nen für die da­malige Zeit be­mer­kens­wer­ten Rea­lis­mus aus­zeichnet, ist in der Kunst­wis­sen­schaft nicht neu. Nach um­fang­rei­chen Restau­rie­run­gen ge­rade der Basler Ta­feln tritt vieles je­doch ge­ra­de­zu atem­be­rau­bend neu zu­tage.

Da ist die bei­nahe skulp­tu­rale Griffig­keit der Fi­gu­ren, da sind Ob­jek­te, die schein­bare eine drit­te Di­men­sion er­öff­nen, da fin­den sich fast iro­nisch an­mu­tende Ef­fekte wie Rah­men­lei­sten, die ge­mal­te Schat­ten in die Bil­der wer­fen.

Was der Ka­ta­log über den Mu­se­ums­be­such hinaus er­schließt, sind die Er­trä­ge der neu­eren For­schung - ins­be­sondere der In­fra­rot­re­flek­togr­afie. Sie zei­gen, dass Witz als Zeich­ner seiner Zeit an­schei­nend eben­so vor­aus war wie als Maler.

Info: Der 392 Sei­ten um­fassende Kata­log zur Basler Aus­stel­lung ist unter dem Titel Kon­rad Witz" im Verlag Hatje Cantz er­schie­nen (ISBN 978-3775727600). Er ko­stet 68 Euro.

Quelle :
http://www.NRWZ.de/NRWZdigital/NRWZ_2011-07-02-gesamt__23732.pdf
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