Der wunderbare Fischzug
1443 erhielt Konrad Witz vom Kardinal Frangois de Mies aus Genf den Auftrag, für die Genfer Petruskathedrale einen Altar zu schaffen. Von diesem Altar sind nur 2 Flügel erhalten, von denen der eine das 21. Kapitel des Johannesevangeliums darstellt:
Sie gingen hinaus und stiegen ins Schiff und in jener Nacht fingen sie nichts,. Als es aber schon Morgen wurde, trat Jesus ans Gestade. Doch wußten die Jünger nicht, daß es Jesus war..,
Diese Begegnung hat der Maler festgehalten und zwei zeitlich sich folgende Szenen im selben Bild dargestellt:
Wir sehen den blaugewandeten Jünger Petrus im Boot und im Wasser. Im Vordergrund, die rechte Bildhälfte beherrschend, steht der auferstandene Christus, in einen leuchtend roten Mantel gekleidet. Trotz seiner mächtigen raumverdrängenden Leiblichkeit scheint Jesus doch eher über dem seichten Ufergewässer zu schweben als darin zu stehen. Er, der Herr, ist die Hauptgestalt des Bildes. Deshalb hat ihn der Maler im Vergleich zu den Jüngern unverhältnismäßig groß dargestellt. Dies steigert den Eindruck der Unnahbarkeit und majestätischen Erhabenheit aufs Höchste.
Jesus sagte nun zu ihnen: »Kinder Ihr habt wohl nichts zu essen?«
Sie antworteten ihm: »Nein«. Er aber sprach zu ihnen: »Werfet das Netz auf der rechten Seite des Schiffes aus, so werdet ihr finden.«
Sie warfen es nun aus und sie vermochten es vor der Menge Fische nicht mehr zu ziehen. Da sagte jener Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: »Es ist der Herr!«
Petrus wendet sich wie aufgeschreckt Christus zu und wirft sich in den See.
Das Dramatische des Augenblicks wird durch den eifrig tätigen Ruderer im Schiff neben Petrus verdeutlicht. Kraftvoll stellt er sich gegen den Bug des Bootes und zieht gleichzeitig das Stehruder, indessen sein roter Mantel, wie von einem heiligen Schauer erfaßt, im Winde flattert. Er ist gegen den Mittelpunkt des Bildes gerückt. Seine feingegliederte, nervös bewegte Gestalt steigert den Eindruck der feierlichen Ruhe des Auferstandenen. Überhaupt stehen Schiff und Jünger aus betont waagrecht gebildeter Gruppe in wirkungsvollem Gegensatz mit der denkmalhaft aufragenden Gestalt Christi.
Das Ereignis der Erscheinung Christi und der wunderbare Fischzug sind nun von Konrad Witz nicht in einer beliebigen Seelandschaft dargestellt, sondern an das rechte untere Ende des Genfer Sees verlegt worden. Für die Menschen und die Kunst seinerzeit war das eine geradezu revolutionäre Tat. Denn nie zuvor hatte ein Maler nördlich der Alpen eine Landschaft so wahrheitsgetreu gemalt. Schon gar nicht hätte er eine Landschaft als Schauplatz für ein biblisches Geschehen in einem Altarbild verwendet. Mit diesem Bild erweist sich Konrad Witz als ein mutiger Neurer der mittelalterlichen Kunst und wir können nur ahnen, welches Staunen das Bild bei seinen Zeitgenossen erregt haben muß.
Ein Vergleich mit der Fotografie zeigt, daß Konrad Witz die Pyramide des Mole gewaltig vergrößert hat. Als wuchtiger Akzent ragt er über Christus aus der Senke und vor dem schneebedeckten Gipfel des Montblanc auf.
Die Hauptfarben unseres Bildes sind Rot und Grün. Nach dem Gold, das Gott Vater beigeordnet ist, ist Rot für den Menschen des Mittelalters als Farbe des Blutes, des Opfers, des Weines die wichtigste Farbe, die zum Sohn, zu Christus gehört, und so ist es für Witz noch selbstverständlich, daß der Auferstandene einen flammend roten Mantel trägt. Petrus dagegen ist in einen blauen Rock gekleidet, denn Blau ist die Farbe des Glaubens, des Vertrauens, der Treue. Rot und das dazu gegensäzliche Grün sind die Hauptfarben unseres Bildes.
In der Geschichte der europäischen Malerei gibt es nur wenige Bilder, die einen vergleichbaren Reichtum von verschiedenem Grün aufweisen. Auch darin liegt wiederum ein in die Zukunft weisendes Merkmal der Kunst von Konrad Witz.