Empfehlungsbeschluss des Gemeinderatsausschusses: Konrad-Witz-Schule soll es werden
Gemeinschaftsschule in Rottweil: Der allerkleinste gemeinsame Nenner ist gefunden
Eine Grobanalyse von Peter Arnegger
ROTTWEIL, 2. April – Es ist der kleinste gemeinsame Nenner. Aber wirklich der Allerkleinste. Weite Teile des Rottweiler Gemeinderats gehen mit der Landesregierung konform und wollen eine Gemeinschaftsschule. Zu einer solchen soll nun die Konrad-Witz-Schule (KWS) werden. Die Gymnasien bleiben, wie sie sind. Die Realschule auch, bis auf weiteres. Die CDU ist dagegen, will sich wohl irgendwie bis zur nächsten Landtagswahl retten, wenn dann vielleicht wieder alles anders wird.
Das Abstimmungsverhalten vorweg: CDU und FDP, zusammen gestern vier Stadträte im Gemeinderatsausschuss für Kultur, Soziales und Verwaltung (KSV) waren nicht für eine Gemeinschaftsschule an der KWS und gegen ein Aufgehen der Realschule in der KWS und damit in einer Gemeinschaftsschule in ferner Zukunft. Die Freien Wähler, die SPD und FFR und PRoFi, mithin acht Stimmen, waren dafür. Für beides. Deshalb wird jetzt beantragt, und mehr bedeutet der Beschluss von gestern nicht, die bisherige Werkrealschule KWS zur Gemeinschaftsschule, die die Klassen 5 bis 10 umfasst, weiterentwickeln zu dürfen. Endgültig entscheiden wird der Gemeinderat Ende April, doch wird das Abstimmungsverhalten dann ähnlich sein. Zwei zu eins für die Gemeinschaftsschule.
Damit ist das Baby von Bürgermeister Werner Guhl gezeugt. Es könnte geboren werden, wenn keine weiteren unvorhergesehenen Komplikationen auftreten. Aber es wird wohl ein kleines Baby sein, wenn es das Licht der Welt erblickt, kein stattlicher Bursche. So war es immer Guhl, der eigentlich die Realschule im Boot haben wollte, der beide, Realschule und KWS zusammen zu einer Gemeinschaftsschule umbauen wollte. Daraus wird erstmal nichts.
Denn die Realschule, das musste er einerseits ein wenig enttäuscht, andererseits einfach auf dem Boden der Tatsachen angekommen feststellen, ist noch nicht so weit. "Dieser Weg kommt für die Realschule zu früh", sagte er. So gebe es noch keine Erfahrungen mit der neuen Schulform, keine Lehrpläne, in die man mal schauen könnte, noch nicht einmal neue Räume, um die hehren Ziele des individuellen Lernens auch umsetzen zu können. Auch ist die Realschule zurzeit deutlich im Aufwind, gefragt wie schon lange nicht mehr. Seit die Grundschulempfehlung abgeschafft ist, fallen doch einige zu ambitionierte Neu-Gymnasiasten auf sie zurück, ist sie zudem Anziehungspunkt für Schüler aus umliegenden Gemeinden, in denen mehr und mehr Gemeinschaftsschulen entstehen sollen.
Die Konrad-Witz-Schule dagegen ist bereit. Es liegen Beschlüsse des Elternbeirats, der Gesamtlehrer- und der Schulkonferenz für eine Einführung einer Gemeinschaftsschule dort vor. Und ein runder Tisch, der mit Elternbeiratsvorsitzenden aus Schulen und Kindergärten besetzt ist, stimmte zuletzt ebenfalls für die KWS als Gemeinschaftsschule. Einstimmig.
Außerdem, so sagte Guhl, sei Schulleiter Willy Schmidt bis in die Haarspitzen motiviert, die Gemeinschaftsschule an seinem Haus umzusetzen.
Seit 2011 macht Rottweil an dieser Idee herum, hat verschiedene Lösungen erarbeitet. So etwa die, dass eines der Gymnasien hätte zu einer Gemeinschaftsschule werden sollen. Es kursierte schon ein Name, alle dementierten, keines der Häuser wollte. Da kam es gerade recht, dass die Landesregierung ein "Zwei-Säulen-Modell" erfand, das die Existenz der Gymnasien neben der neuen Gemeinschaftsschule sicherte. So war dieser Weg verbaut. Eine Fülle an (Podiums-)diskussionen, Sitzungen, Besprechungen, Anhörungen, Stellungnahmen und Oberschulamtsbesuche folgte. Und immer neue Ideen aus Stuttgart obendrein. Die neueste: der regionale Schulentwicklungsplan, der die Kommunen vor Ort in die Pflicht nehmen will, aber dabei ziemlich alleine lässt.
Es schien derweil als beste Lösung die Kooperation aus Realschule und KWS in Sicht, zu der es aber nicht kam. Parallel sieht sich die Stadt in Zugzwang. Eben wegen des regionalen Schulentwicklungsplans, der im Kern nun bedeutet, dass die Kommunen ihr eigenes Süppchen kochen und ein jeder sich als Schulstandort retten will.
Bevor Rottweil sich nun also als traditionsreiche Schulstadt von Deißlingen, Dietingen, Dunningen & Co. indirekt diktieren lässt, wo es hinzugehen habe, schafft die Stadt lieber etwas eigenes. Schafft so bald wie möglich die Werkrealschule ab und baut eine Gemeinschaftsschule auf.
Bürgermeister Guhl ist derweil so viel Politiker, dass er schon die richtigen Worte findet, auf sein baldiges Baby gebührend einzustimmen: "Vielleicht hat die Landesregierung, vielleicht haben wir am Anfang zu viel gewollt", sagte er. Nun gebe es eben eine Evolution und keine Revolution. Aber natürlich ist das gut: "Der Wandel in kleinen Schritten ist die Marschrichtung des Landes. Sie passt gut zu Rottweil. Die Vorteile der kleinen Schritte liegen auf der Hand. Wir gewinnen Zeit für die nötigen Diskussionen , wir können Eltern und Mitstreiter gewinnen." Eltern von Realschülern, beispielsweise. Mitstreiter vielleicht in der örtlichen christlichen demokratischen Union.
Denn Stadträtin Sibylle Schumacher (CDU) machte klar, dass ihre Partei "die Gesamtschule noch nie befürwortet" habe - und sie werde deshalb heute nicht plötzlich damit beginnen. Das Modell sei nicht ausreichend finanziert und ausgestattet. "Weil wir unserer Einstellung treu bleiben wollen", enthielt sich ihre Fraktion bei der Frage, ob die Konrad-Witz-Schule nun Gemeinschaftsschule werden dürfe. Ihr Fraktionskollege Christoph Bechtold ergänzte, dass die neue Schulform die sozialen Probleme der Kinder, die Abhängigkeit von Bildungsgrad und sozialer Schicht, nicht löse. Also weg damit.
Und die Realschule, die sei zu erhalten, argumentierte Schumacher, sie sei beliebt und biete eine sehr gute mittlere Ausbildung. Deshalb werde die CDU gegen die geplante Kooperation von Real- und Konrad-Witz-Schule stimmen. FDP-Mann Hermann Klein sagte nichts dazu, stimmte aber analog zur CDU ab.
Heide Friederichs von FFR und PRoFI glaubt, dass alle Schulen sich verändern müssten (etwa auch die Gymnasien, aber das stand nicht zur Debatte). Die Realschule könne "nicht so bleiben, wie sie ist." Eine Gemeinschaftsschule biete mehr Schülern bessere Chancen. Dass Rottweil sie nun einrichten möchte, sei "ein erster Schritt in einer Schulstadt mit langer Tradition, die sich Neuem nicht verschließen darf", so Friederichs.
Für die SPD erklärte sich Ralf "Hefe" Armleder. "Wir unterstützen nachhaltig die Gemeinschaftsschule", sagte er.
Walter Stegmann (Freie Wähler), der Oberstudienrat im Ruhestand, hielt die emotionalste Rede von allen. "Der Wechsel ist doch das Beständigste an den Schulen", rief er. Er kenne das aus seinen langen Berufsjahren, "es war immer ein Durcheinander" in der Bildungspolitik des Landes. Deshalb aber wolle er beileibe nicht zur Stagnation raten. "Vielfalt zeichnet das Rottweiler Schulmodell aus", sagte er. "Diese Vielfalt gilt es zu bewahren." In Rottweil dürfe kein weißer Fleck entstehen, weshalb eben die neue Schulform eingeführt gehöre. Es gelte, "möglichst vielen es zu ermöglichen, später in eine Beschäftigung zu kommen. "Wir können nicht alles auffangen, aber wir müssen versuchen, alle (Schüler) mitzunehmen, soweit es irgendwie geht."
In einer Gemeinschaftsschule sieht Stegmann eine geeignete Form. "Wir müssen hier etwas daraus machen. Ich vertraue auf das Engagement des Kollegiums an der Konrad-Witz-Schule!"
Diese ist bereits eine Ganztagesschule mit ganzheitlichem pädagogischen Konzept, wie es in der Sitzungsvorlage für den Gemeinderat heißt. Weitere wichtige Schritte seien schon vollzogen, ab dem Schuljahr 2015/2016 könne die KWS Gemeinschaftsschule sein. Trotz gemeinschaftlicher Werte biete die Schule bereits zwei Abschlüsse an: den der Werkrealschule nach Klasse 10 und den der Hauptschule nach Klasse 9.
02.04.2014, 18:41:13 Uhr