Gemeinschaftsschule


Quelle : Schwarzwälder-Bote
Online-Version 05.12.2014 19:21 Uhr
Druckversion 06.12.2014

In ständigem Fluss

Drei Jahre lang beschäftigte das Thema immer wieder den Gemeinderat: Ab dem kommenden Schuljahr ist die Rottweiler Konrad-Witz-Schule eine Gemeinschaftsschule – alleine.

Auf Initiative der Stadtverwaltung bildete sich vor drei Jahren unter der Federführung von Bürgermeister Werner Guhl der Arbeitskreis Gemeinschaftsschule. Es waren sich alle Beteiligten einig, dass eine Gemeinschaftsschule (GMS) auch den Kindern und Eltern in der Schulstadt Rottweil angeboten werden soll. Entgegen mancher Hoffnungen wollen Gymnasien und Realschule selbstständig bleiben. Die Konrad-Witz-Schule (KWS) wird ab dem kommenden Schuljahr den Weg alleine gehen.

Die Konrad-Witz-Schule wird zum kommenden Schuljahr 2015/16 umgewandelt in eine Gemeinschaftsschule. Das pädagogische Konzept passt schon seit einigen Jahren dazu. Die Konrad-Witz-Schule setzt das pädagogische Konzept einer Gemeinschaftsschule bereits seit zehn Jahren um.

Wir sehen uns für die Aufgabe gut aufgestellt



Das Schulfrühstück: Ein Angebot an der Rottweiler Konrad-Witz-Schule (Foto: KWS Rottweil)

Wir sprachen mit Schulleiter Willy Schmidt.

Herr Schmidt, Sie sind ein Kämpfer und Ihre Schule war vielen Entwicklungen oft einen Schritt voraus. Konnten Ihre Bemühungen die rückläufigen Schülerzahlen aufhalten?

Die Weiterentwicklung der Hauptschulen im Land zu den Werkrealschulen war eine Vorgabe der damaligen Landesregierung. An der KWS haben wir den Mittleren Bildungsabschluss in Klasse 10 seit 20 Jahren. Seit zehn Jahren setzen wir das pädagogische Konzept einer Ganztagsschule mit mehr Bildungszeit und veränderten Bildungsangeboten mit Erfolg um. Denn die Schülerzahlen an unserer Werkrealschule sind entgegen dem landläufigen Trend auch nach dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung nicht rückläufig. Daher stellt sich für uns auch nicht die Frage nach dem Weiterbestehen der Schule oder einer Standortsicherung.

Was versprechen Sie sich von der erneuten Umwandlung Ihrer Schule?

Da die Anforderungen von Eltern, Gesellschaft und Wirtschaft an Schule und Bildung sich stets weiterentwickeln, versprechen wir uns an der KWS mit der Einrichtung der GMS ein attraktives, zukunftsfähiges Bildungsangebot für Rottweil, das die Bildungslandschaft erweitert und gut in die fortfolgenden Jahre passt. Unsere Schule sieht sich dafür gut aufgestellt. Wir entwickeln seit Jahren individuelles und selbstorganisiertes Lernen, die Lehrer besuchen stetig Fortbildungen, in unserer Grundschule wird vergleichbarer Unterricht bereits praktiziert, und das von der GMS geforderte Soziale Lernen wurde durch Klassen-AG-(KLAG)-Stunden schon vor Jahren integriert. Auch verfügen wir durch unser differenziertes Berufswegplanungs-Konzept über vielfältige Erfahrungen und arbeiten mit vielen Kooperationspartnern zusammen. Die meisten Gemeinschaftsschulen im Land entwickeln sich aus ehemaligen Hauptschulen.

Werden Sie bei guten Schülern Interesse wecken können?

Wie schon erwähnt sind wir eine anerkannte Schule in städtischer Trägerschaft, die im Wettbewerb mit den Privatschulen in unmittelbarer Nachbarschaft ihre Leistungsfähigkeit seit Jahren unter Beweis stellt. Das pädagogische Konzept einer Gemeinschaftsschule spricht natürlich alle Schüler an, denn es erfolgt keine Trennung nach der vierten Klasse und es lässt lange alle Abschluss- und Anschlussoptionen für die Kinder offen.

Wie muss man sich den Unterricht vorstellen?

Der Unterricht im Haus des gemeinsamen Lernens steht auf drei Säulen. Das ist der gemeinsame Unterricht im Klassenverband, das stärkeorientierte, individuelle Lernen und das Unterrichten in Werkstätten und Projekten mit Kooperationspartnern aus verschiedenen Bereichen und an außerschulischen Lernorten. Aber der Fokus liegt bei den individuellen Kompetenzen jedes Schülers. Es sind weiterhin gute Lehrer-Schüler-Beziehungen notwendig, die Lehrerpersönlichkeit und das Lernklima sind immer noch prägend und die Schüler sind sich nie selbst überlassen. Im Gegenteil: es wird auf jeden einzelnen fördernd und fordernd eingegangen. Und das unabhängig von einzelnen Lehrpersonen. Der Umgang mit Heterogenität und Einzigartigkeit ist verbindliches Prinzip einer GMS.

Werden auch gute Schüler aus dieser Unterrichtsform profitieren?

Ja, denn eine GMS bietet alle Bildungsstandards an von der Werkreal-, der Realschule bis zum Gymnasium und es unterrichten Lehrkräfte aller Schularten. Der Weg an der GMS entspricht hinsichtlich Dauer und Kompetenzen dem G9. Leistungsstärkere Schüler müssen nicht warten, bis die ganze Klasse den geforderten Lernstoff verarbeitet hat oder bis die nächste Klassenarbeit angesagt wird, sondern arbeiten auf der nächsten Niveaustufe, wenn sie den entsprechenden Lernnachweis erbracht haben. Sie erhalten je nach Leistungsstand höhere Anforderungen und erarbeiten sich mit Unterstützung der Lehrkräfte die geforderten Fachkompetenzen. Das Lernen an einer GMS orientiert sich an Kompetenzrastern, die landeseinheitlich vom Landesinstitut für Schulentwicklung ausgearbeitet wurden oder als nationale Standards schon vorhanden sind. Die GMS ist leistungsorientiert. Sie fördert Talente nicht nur in den traditionellen Fächern, sondern auch in der Projekt- und Werkstättenarbeit. Der Fokus liegt auf den individuellen Lernfortschritten und Entwicklungsmöglichkeiten. Von daher wird jeder Schüler noch mehr nach seinen Fähigkeiten gefordert und gefördert. Die Stadtverwaltung wäre den Weg gerne gemeinsam mit der Realschule gegangen.

Bedauern Sie die Absage der Realschule sich mit Ihnen zur Gemeinschaftsschule zusammenzuschließen?

Als Mitglied des städtischen Arbeitskreises GMS habe ich mich von Anfang an für einen gemeinsamen Weg aller Schularten eingesetzt, mit dem Ziel, dass diese Schulart in Rottweil angeboten werden kann. Nun ist es, wie es ist. Wie schon ausgeführt, sehen wir uns an der KWS für die vom Gemeinderat beschlossene Aufgabe gut aufgestellt und sind sehr zuversichtlich.

Kann die Realschule, die in den letzten Jahren mit Schülerzahlen glänzt, aber auch an Ihre räumlichen Grenzen stößt, auf diesen Zug noch aufspringen?

Wie sich andere Schulen auf die Veränderungen einstellen, ist deren Thema. Alle Schularten sind in einem Veränderungsprozess. Die Frage der hiesigen Schulentwicklung und damit auch der Schulräume stellt sich für alle Schulen auf dem Campus. Unsere Kooperationsbereitschaft ist weiterhin da. Dabei sind wir nicht auf eine Schulart fixiert. Die allgemein bildenden Gymnasien und insbesondere die Beruflichen Gymnasien sind natürlich mit Blick auf G9 interessierte Partner von Gemeinschaftsschulen. Denn es geht an einer GMS ohne Oberstufe – wie in Rottweil vorgesehen – um die Frage, wie die leistungsstärksten Schüler nach der Klasse 10 ihren weiteren Weg zum Abitur gestalten.

Die Fragen stellte Anja Schmidt